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Vor 60 Jahren: Neubeginn der Demokratie und Teilung

Sommer 1948. Neubeginn der Demokratie

Die Zerstörung Deutschlands durch die nationalsozialistische Diktatur führt am 8. Mai 1945 in die bedingungslose Kapitulation und in die Aufteilung des Deutschen Reichs in Besatzungszonen. Unter Kurt Schumacher, der eine Vereinigung mit den Kommunisten kategorisch ablehnt, formiert sich in den Westzonen die SPD als eine demokratisch-sozialistische Volkspartei, die eine Öffnung zu den Mittelschichten anstrebt.

In der Ostzone gelingt es der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht mit Unterstützung der sowjetischen Machthaber, die starken sozialdemokratischen Kräfte in ein Parteibündnis zu zwingen (Zwangsvereinigung 1946) und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) als diktatorische Einheitspartei zu konstituieren. Mehr als fünftausend SPD-Mitglieder werden verhaftet, Tausende müssen flüchten. Kommunisten besetzen die Schlüsselpositionen der neuen Partei, und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund gerät unter deren Herrschaft.

In den Westzonen können sich die Gewerkschaften zunächst unter der Aufsicht der Westalliierten neu formieren. Sie überwinden ihre richtungsgewerkschaftliche Spaltung und bilden 1949 in München den Deutschen Gewerkschaftsbund als Einheitsgewerkschaft, die parteipolitisch unabhängig ist, gleichwohl aber in ihren Zielen vielfach mit der Sozialdemokratie übereinstimmt.

1949 entstehen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR); am Bonner Grundgesetz, das in den Verfassungsberatungen des Parlamentarischen Rats vorbereitet wurde, haben Sozialdemokraten, allen voran Carlo Schmid, maßgeblich mitgewirkt. Die SPD erreicht im Westen bei den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag 29,2 Prozent der Stimmen. Mit ganz knapper Mehrheit kann die CDU die Führung der jungen Republik übernehmen, während die SPD sich in der Rolle der "konstruktiven Opposition" sieht. Sie wird nach Schumachers Tod 1952 von seinem Nachfolger Erich Ollenhauer geführt, der sich erfolgreich um den innerparteilichen Zusammenhalt von Funktionären und Mitgliedern bemüht, dessen Erfolg bei den Bundestagswahlen aber sehr begrenzt bleibt.

Nachdem die Westalliierten im Juni 1948 grünes Licht für die Gründung eines westdeutschen föderalistischen Bundesstaates gegeben hatten, trat der Neuanfang der Demokratie in Deutschland in die entscheidende Phase. Vom 10. bis 25. August 1948 traf ein von den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder berufener Verfassungskonvent auf der Insel Herrenchiemsee in Bayern zusammen, um Richtlinien für eine provisorische Verfassung auszuarbeiten. Der Sozialdemokrat Carlo Schmid hatte von Anfang an eine bedeutende Rolle bei der Formulierung der Leitlinien für die Verfassung. Er war SPD-Fraktionsvorsitzender im Parlamentarischen Rat und Vorsitzender des Hauptausschusses.
Am 1. September 1948 fand die konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates in Bonn statt, die den Entwurf von Herrenchiemsee beriet. Der Rat war ein Gremium mit parlamentarischem Charakter, dem 65 stimmberechtigte Abgeordnete angehörten.

Die stärksten Fraktionen mit je 27 Abgeordneten stellten SPD und CDU/CSU. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzten sich dafür ein, dass die Verfassung, so Carlo Schmid in seiner Rede vor dem Parlamentarischen Rat am 8. September 1948, "die erste Etappe auf dem Wege zur staatlichen Einigung aller Deutschen" wird. "Noch liegen die weiteren Etappen außerhalb unseres Vermögens." Trotz des provisorischen Charakters der Verfassung, Schmid sprach schon 1948 von einem "Grundgesetz", sollten also die wichtigen Fragen des demokratischen Neubeginns gelöst werden. Die starke Stellung der Grundrechte wurde von Schmid beeinflusst: "Die Grundrechte müssen das Grundgesetz regieren", forderte er. "Diese Grundrechte sollen nicht bloße Deklamationen, Deklarationen oder Direktiven sein, (…) sondern unmittelbar geltendes Bundesrecht, auf Grund dessen jeder einzelne Deutsche (…) vor den Gerichten soll Klage erheben können." Und er machte sich stark für die wehrhafte Demokratie: "Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen." Die Bundesrepublik bekam durch sozialdemokratische Prägung den Charakter einer starken Demokratie und eines sozialen Rechtsstaates.

Von großer Bedeutung waren die sozialdemokratischen Mütter des Grundgesetzes, voran Elisabeth Selbert. Sie wollte die Gleichberechtigung als unmissverständlichen und konkreten Auftrag an den Gesetzgeber formuliert wissen. So gelang es ihr, in Artikel 3 den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" durchzusetzen.

 

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